Die Kanzlei BAUER unterstützt die Wirtschaftsteilnehmer bei der Erfüllung der sie treffenden öffentlich-rechtlichen Pflichten bei und nach Bereitstellung technischer Geräte: Produktsicherheit / Produktsicherheitsrecht, Umweltproduktrecht, elektromagnetische Verträglichkeit, Messrichtigkeit, funktechnische Anforderungen, produktbezogener Arbeitsschutz, Hinweis-, Kennzeichnungs-, Mitteilungs-, Registrierungs- und Anzeigepflichten nach dem ProdSG und den hierzu ergangenen Verordnungen, nach dem ElektroG, dem BattG, der Outdoor-Richtlinie, der Verordnung (EU) 2017/1369 (Energieverbrauchskennzeichnung), dem FuAG und REACH.
Rechtskonformes Handeln erschöpft sich nicht in der Konzeption eines den technischen Vorschriften und Normen genügenden Baumusters. Produktkonformität oder auch Produktcompliance ist eine dynamische und mit jeder in den Ausgang gebrachten Verkehrseinheit sich erneuernde Pflicht.
Entscheidend ist, dass der Produktentstehungsprozess so organisiert ist, dass nur rechtkonforme Produkte in den Ausgang gelangen. Das Augenmerk liegt hierbei auf den unternehmensinternen Prozessen und der Fähigkeit von Prozessen, konforme Produkte zu gewährleisten.
Gesetzeskonformität und Qualitätsmanagement
Qualitätsmanagement und Gesetzeskonformität hängen zusammen. Für die Produktkonformität ist entscheidend, dass die gesetzlichen Anforderungen in den Produktentstehungsprozess richtig eingegeben und dort richtig „verarbeitet“ werden. Eine Zertifizierung nach ISO 9001 allein stellt dies allerdings nicht sicher.
Beispielhaft seien aus der EN ISO 9001 die Kapitel Entwicklungseingaben, Entwicklungssteuerung und Steuerung der Produktion herausgegriffen: Die im Qualitätsmanagement zu den Entwicklungseingaben regelmäßig abgebildete Anforderung, die auf das Produkt anwendbaren gesetzlichen Anforderungen in die Anforderungsliste einzustellen, läuft leer, wenn nicht gleichzeitig sichergestellt ist, dass das Engineering über entsprechendes Wissen verfügt. Erforderlich ist, dass die auf das Produkt anwendbaren und für die Produktkonformtät oder auch Produktcompliance maßgebenden Rechtsvorschriften korrekt ermittelt werden. Dies ist eine z.T. anspruchsvolle Aufgabe. Zunächst ist zu bestimmen, ob es sich bei dem Produkt rechtlich nicht um eine Mehrheit von – je einzeln zu bewertenden – Produkten handelt. Diese Frage stellt sich namentlich bei Baukastensystemen und bei im Endprodukt verbauten elektrischen Betriebsmitteln (zu Letzterem siehe „Kombinierte Produkte“ unter News). Weiter ist festzustellen, ob und inwieweit das jeweilige und a priori einschlägige Gesetz für das zu bewertende Produkt überhaupt gilt. Wurde seine Anwendbarkeit festgestellt, ist weiter zu prüfen, ob daneben Anforderungen anderer Gesetze zu beachten sind. Normwidersprüche sind hierbei Gegenstand gesetzlicher Ausschluss- und Vorrangregelungen mit z.T. komplizierten Rück- und Querverweisungen zwischen den Gesetzen. Dies „aufzudröseln“ setzt juristisches Systemdenken voraus. Innerhalb der Entwicklungssteuerung ist zu bewerten, ob der Entwurf den auf das Produkt anwendbaren gesetzlichen Anforderungen entspricht. Mit klarem Fokus auf die gesetzlichen Anforderungen ist deren Erfüllung erkennbar herauszustellen und zu dokumentieren. Entsprechendes gilt für die Steuerung der Produktion. So ist sicherzustellen und zu dokumentieren, dass entsprechend den für die Konformität relevanten Festlegungen der Konzipierungsphase die Verkehrseinheiten - die einzelnen Produkte - hergestellt und geprüft und Zulieferteile kontrolliert werden.
Es gilt die verschiedenen – nicht alle – Anforderungen nach ISO 9001 so umzusetzen und die Prozesse so zu organisieren, dass Gesetzeskonformität sichergestellt ist. Die für die Produktkonformität oder auch Produktcompliance maßgebenden Prozessschritte sind rechtssicher zu dokumentieren und die Dokumente geordnet zu archivieren. Technik, Qualität und Recht sind miteinander verflochten, sind bei der Aufstellung dieser Prozesse Kenntnisse aller drei Disziplinen unerlässlich und eine Zusammenarbeit von Vertretern aller drei Disziplinen angezeigt.
Werden Produkte zugekauft helfen indes die Vorgaben nach ISO 9001 nur bedingt. Produktkonformität oder auch Produktcompliance ist hier vornehmlich vertraglich sicherzustellen (siehe nachstehend) und muss den auf europäischer Ebene aufgestellten Anforderungen an die Konformitätsbewertung sog. OEM-Produkte entsprochen werden.
Gesetzeskonformität als im arbeitsteiligen Unternehmen ressortübergreifende Aufgabe
Der Produktentstehungsprozess wird bei hoher Fertigungstiefe, also bei hohem Umfang der im eigenen Unternehmen produzierten Komponenten für ein Produkt, vom Qualitätsmanagementsystem und/oder unternehmensinternen Leitlinien zum Produktentstehungsprozess abgebildet. Ist der Produktentstehungsprozess nicht auf mehrere Partner verteilt und von der Produktidee bis zum fertigen Produkt in den Händen des produzierenden Industriellen, ist die Produktkonformität / Produktcompliance mit dem technischen Design und der Stellung des Qualitätsmanagements im Produktrealisierungsprozess überwiegend Sache des Engineerings und der Qualitätsabteilung. Diese haben die Grundsätze der Produktkonformität / Produktcompliance in Standards und Prozesse zu überführen. Mit zunehmender Abnahme der Fertigungstiefe wird die formale und die materielle Konformität mehr und mehr Vertragssache und bilden die Qualitätsmanagementsysteme und unternehmensinternen Leitlinien zum Produktentstehungsprozess diese Wirklichkeit nicht immer ab. Entsprechend wird bei zunehmender Abnahme der Fertigungstiefe die Sicherstellung der Produktkonformität / Produktcompliance verstärkt zur Aufgabe des Procurement Managements und sind dort die Eingaben aus dem Engineering und der Qualitätsabteilung „zu verarbeiten“ und die Aufgaben zu koordinieren.
Fertigungstiefe | Engineering | Qualitätsabteilung | Beschaffungswesen | Erfordernis vertraglicher Regelung |
| Herrschaft über die Produktarchitektur. Produktkonformität über Mit zunehmender Auslagerung von Entwicklung und Konstruktion verliert das Engineering die Herrschaft über die Produktarchitektur. Das technische Design wesentlicher Bauteile oder des gesamten Endprodukts wird zunehmend vertraglich fixiert. | Management der Prozesse Steigt der Grad der Auslagerung der Fertigung steigt das Erfordernis der Inkorporierung des QM-Managements des Lieferanten in das des Herstellers und damit das Erfordernis vertraglicher Regelungen mit dem Lieferanten. | Beschaffung von Rohstoffen, DIN-Bauteilen, Halbteilen, etc. Mit zunehmender Annäherung des industriellen Einkaufs an den Handelseinkauf ist Produktkonformität zuvörderst vertraglich sicherzustellen. |
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Das „Wie“ von Produktcompliance bzw. deren Sicherstellung hängt also davon ab, wer für welche Arbeitsschritte und Aufgaben im Produktentstehungsprozess in welcher Tiefe verantwortlich ist und wie bei Outsourcing und Offshoring die Produktkonformität nachgewiesen werden kann. Beides variiert im Unternehmen von Produkt zu Produkt. Produktkonformität / Produktcompliance erschöpft sich denn auch nicht im Abarbeiten allgemeingültiger Checklisten. Sie ist prozessual auf das einzelne Produktmodell bezogen sicherzustellen und sind im arbeitsteiligen Unternehmen gleich mehrere Ressorts mit einzubeziehen: Engineering, Qualitätsabteilung, Beschaffungswesen und Rechtsabteilung.
© Rechtsanwalt Matthias K. Bauer